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- Das spricht gegen ein Leben ohne Bargeld - und das dafür!
Bargeldlose Gesellschaft Das spricht gegen ein Leben ohne Bargeld - und das dafür!
2014 wurden nur noch für die Hälfte aller Einkäufe in Deutschland Scheine aus der Hosentasche gekramt. Kein Geld mehr im Geldbeutel zu haben wird immer beliebter, bereits seit 2008 benutzen die Deutschen immer weniger Bargeld um ihre Einkäufe zu bezahlen. Wieso schaffen wir Bargeld also nicht einfach ab?
In einer Studie der Bundesbank gaben 33 Prozent der Befragten an grundsätzlich nur mit Bargeld zu bezahlen. Der mit Abstand wichtigste genannte Grund für die Auswahl von Bargeld als Zahlungsmittel war das “Gefühl besserer Ausgabenkontrolle”. Aber warum ist das so?
Die Theorie des “mental accounting” besagt, dass Gelder unterschiedlich wahrgenommen und in der Konsequenz auch verwaltet werden. Als Teil der Verhaltensökonomik versucht die Theorie zu erklären warum Menschen finanziell “falsche” Entscheidungen treffen.
Finanzielle Mittel werden in mentale Konten eingeteilt und unterschiedlich behandelt. Geld, welches auf dem Konto liegt hat für den Konsumenten einen anderen Wert, als Geld welches bereits in seinem Geldbeutel ist. Der Konsument teilt sein Vermögen so in “Gewinne” und “Verluste” auf. Geld, welches vom Konto entnommen wird, wird als Verlust wahrgenommen. Dies resultiert unter anderem darin, dass Menschen es präferieren mehrere kleinere Geldbeträge abzuheben als einen großen.
Zahlen wir mit der Kredit oder EC-Karte nehmen wir nicht wahr, dass sich unser ”Verlust” vergrößert. Die physische Erinnerung an unser schrumpfendes Vermögen fehlt. Um rational entscheiden zu können, müssten Menschen so zusammenhängende Sachverhalte auch gemeinsam betrachten. Mentale Konten könnten dies verhindern. Unser Konsumverhalten wird also durch Bargeld beeinflusst - schaffen wir das Bargeld ab, ist unklar, wie dies die Zukunft des Geldausgebens verändern wird.
Schweden und Dänemark - Pioniere ohne Bargeld
Will man in Schweden Geld abheben, hat man es schwer. Nur eine von drei Filialien der “Nordea Bank” gibt noch Bargeld aus. Schweden und Dänemark sind Vorreiter für bargeldlose Gesellschaften. Die App “Swish” der schwedischen Großbanken Nordea und SEB sowie die breite Akzeptanz von EC- und Kreditkarten sorgen in diesen Ländern dafür, dass auch Brötchen und das Bier am Kiosk bargeldfrei bezahlt werden
Apple, Google und Facebook auf dem Vormarsch
97 Prozent der Befragten der Bundesbank-Studie verfügten über eine Girocard, damit wurden 2014 annähernd 30 Prozent der Umsätze am Point of Sale bezahlt, 2008 waren es noch 25,5 Prozent. Dies macht die Girdocard in Deutschland zum wichtigsten unbaren Zahlungsinstrument. Gleichzeitig steigt die Bekanntheit von mobilen und kontaktlosen Bezahlverfahren.
Nicht nur EC- und Kreditkarte können jedoch als bargeldlose Bezahlmittel dienen. Google, Apple, Twitter, Amazon und Facebook haben alle Interesse am Geschäft ohne Geld. Diese erhoffen sich vor allem Marktanteile von PayPal. Der Vorreiter auf dem Gebiet des Online-Bezahlens hat mittlerweile 173 MIllionen Kundenkonten und hatte im Jahr 2014 ein Transaktionsvolumen von 228 Milliarden US Dollar.
Angst vorm “Bargeldverbot”
Das SEPA-Zahlungssystem, welches neue, einheitliche Kontonummern für alle Europäer einführte, würde theoretisch einen europäischen bargeldlosen Zahlungsraum ermöglichen. Die europäische Infrastruktur ist nun zwar da, genutzt werden soll sie aber nicht. “Aus Sicht der Deutschen Bundesbank sollte das Bargeld der Bevölkerung auch in Zukunft als Zahlungsmittel erhalten bleiben” sagte Carl-Ludwig Thiele, Vorstandsmitglied der deutschen Bundesbank.
Die reine Anwesenheit des Zahlungssystems reicht allerdings, um Gerüchte vom europäischen “Bargeldverbot” anzufeuern. Obwohl eher Verschwörungstheorie als reale Gefahr, stellt sich die Frage, was eigentlich gegen die Abschaffung von Münzen und Scheinen spricht.
Ausgrenzung unterer Gesellschaftsschichten
Dem Obdachlosen vorm Supermarkt oder dem Bettler in der Fußgängerzone wird man mit der Kreditkarte kaum weiterhelfen können. Denn gerade diese Minderheit verfügt oft über kein Konto und wären ohne Bargeld faktisch zahlungsunfähig. Die Sorge, bereits benachteiligte Gruppen der Gesellschaft weiter zu marginalisieren ist also nicht ganz unbegründet.
Datenschutz vor Staat . . . und Ehepartner
Eine bargeldlose Gesellschaft setzt voraus, dass jeder Zugang zu einem Smartphone, einer EC oder Kreditkarte hat und diese natürlich mit jeder Transaktion Daten sammeln. Wie sicher können diese Daten sein? Das Vertrauen der Deutschen in Datensicherung ist auf einem historischen Tiefpunkt. Dass der Großteil der Transaktionen über die USA läuft, hilft dieser Vertrauenskrise nicht. Denn dass die so gesammelten Daten vermutlich auch ausgelesen werden, ist seit Edward Snowden wohl unabstreitbar.
Abgesehen von dem allgemeinen Problem der Datensicherheit sind auch “kleinere” Privatsphäreargumente nicht zu vernachlässigen. So wird es in einer bargeldlosen Gesellschaft nahezu unmöglich, Finanztransaktionen vor Staat oder gar Ehepartner zu verbergen. In Deutschland wird eine Abschaffung von Bargeld, wohl auch deswegen, negativ beurteilt. Papier- und Münzgeld bleiben daher in bestimmten Fällen ein beliebtes Zahlungsmittel.
Die Bargeldabschaffung hätte aber keineswegs nur negative Folgen, hier die wichtigsten Argumente FÜR eine bargeldlose Gesellschaft:
Gewinne für Banken
Bargeld kostet richtig Geld: Es ist teuer zu transportieren, zu sichern, zu lagern, für Überfälle anfällig und dafür für den Bürger umso leichter zu verlieren. An Kreditkarten dahingegen lässt sich verdienen. So zahlen Händler durchschnittlich 1,25 Prozent der Transaktionssummen an Banken. Darüber hinaus wären Industrie und Online-Handel an Daten, die aus bargeldlosen Transaktionen resultieren sicherlich auch interessiert, ihre Angebote zu optimieren. Über den Besitz von Aktien besagter Unternehmen können auch Privatpersonen an diesem Wachstum teilhaben.
Millionen für Deutschland
Kein Bargeld mehr im Umlauf zu haben, wäre vor allem für den Fiskus entscheidend: Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und Geldwäsche sind ohne Bargeld so gut wie nicht umsetzbar. Ein Eindämmen der Schattenwirtschaft könnte Deutschland jährlich Millionen sparen. Illegale Aktivitäten würden mit der Abschaffung des Bargeldes natürlich kein Ende nehmen. Wir würden wahrscheinlich ein Aufleben von Onlinewährungen wie Bitcoin erleben, denn diese erlauben es schon seit langem, illegale Aktivitäten bargeldlos zu bezahlen. Auch das Ausweichen auf andere Währungen, wie Dollar oder Kronen ist nicht undenkbar.
Das Aus für Falschgeld?
Die Abschaffung von Bargeld hätte zur Folge das Falschgeld wie wir es kennen faktisch kein Problem mehr wäre. Blüten wie sie im ZDF Breaking Bad Verschnitt "Morgen hör ich auf" von Bastian Pastewka gedruckt werden, hätten keinen Nutzen mehr. Geschäfte, Supermärkte und Tankstellen könnten sich teure Geräte zur Überprüfung der Echtheit von Geldscheinen sparen. Natürlich will das nicht heißen, dass Geld fälschen Kriminelle nicht weiter locken würde. Sie würden sich aber ins Virtuelle verlagern müssen. Kreditkartenkriminalität könnte so zunehmen und auch das einhacken in Handys oder auf Konten könnte Antrieb erhalten.
Effizientere Geldpolitik
Geldpolitische Instrumente könnten in einer bargeldlosen Gesellschaft ihre volle Wirkung entfalten. In einer Krise würde der panikhafte Ansturm auf Banken und das abheben großer Geldmengen, wie wir es zum Beispiel in Griechenland erlebt haben, verhindert werden. Zur Abwehr einer Deflation könnten zum Beispiel nur so effektiv negative Leitzinsen eingeführt werden. Denn Negativzinsen bedeuten faktisch, dass eine Gebühr für das Einlagern von Geld auf Konten fällig werden würde. An dieser Stelle würden Menschen nun normalerweise auf Bargeld ausweichen, um Verluste zu verhindern. Ist dies nicht mehr möglich, geben sie ihr Geld eben aus und kurbeln so die Wirtschaft an.
"Dirty Money Project"
Ein oft vernachlässigtes Argument ist, dass Geld wortwörtlich dreckig ist. Das “Dirty Money Project” der New York University untersucht genau das. 3.000 verschiedene Bakterien haben die Forscher dabei auf Geldscheinen gefunden. Vor allem Bakterien, die Akne auslösen und E. Coli-Bakterien waren häufig vertreten. Die größte Sorge der Forscher ist die Übertragung Antibiotika-resistenter Bakterien. Das Problem der Krankheitsübertragung betrifft zwar hauptsächlich Geldscheine und nicht Münzgeld, ist aber durchaus ein Argument für die Abschaffung von physischen Wertträgern.
Natürlich sind diese Argumente für ein Leben ohne Geld auch schnell zu Gegenargumenten umformulierbar. Wer will schon vom Staat zum Konsum gezwungen werden oder die Informationswut von Industrie und Handel weiter beflügeln? Die Dystopie der bargeldlosen Welt ist dennoch bei weitem nicht so schrecklich, wie oft dargestellt wird. Wo die Reise hingeht, wird die Zukunft zeigen. Dass ein bargeldloses Leben allerdings möglich ist und keineswegs nur Nachteile mit sich bringt, wird schon jetzt deutlich.
saw