Europäische Gemeinschaft

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Die Europaflagge
Die drei Säulen der Europäischen Union (vor Inkrafttreten des Lissaboner Vertrages)

Die Europäische Gemeinschaft (EG) war eine supranationale Organisation, die mit dem Vertrag von Maastricht 1993 aus der 1957 gegründeten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) hervorging und rechtlich bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 bestand. Sie war als eine der drei Europäischen Gemeinschaften Teil der ersten und wichtigsten der drei Säulen der Europäischen Union. Der Rechtskörper der Europäischen Gemeinschaft war damit das Kernstück der Europäischen Union (EU). Grundlage der EG war der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag).

Bereits vor Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon hatte die Bezeichnung Europäische Union in der Umgangssprache die Europäische Gemeinschaft ersetzt, jedoch blieben EU und EG juristisch unterschiedliche Institutionen. Anders als die „Dachorganisation“ EU verfügte die EG über eine eigene Rechtspersönlichkeit und damit völkerrechtliche Handlungsfähigkeit. Mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon am 1. Dezember 2009 wurde die Existenz der EG beendet. Ihre Rechtsnachfolgerin wurde die Europäische Union, die durch den Vertrag nun selbst Rechtspersönlichkeit erhielt. Der EG-Vertrag wurde in Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag) umbenannt.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Vorgängerorganisation der Europäischen Gemeinschaft, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), wurde am 25. März 1957 in Rom von den sechs Mitgliedstaaten (Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande) der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, oft auch Montanunion genannt) gegründet. Grundlage war der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (abgekürzt EWG-Vertrag), dessen Inhalte im Wesentlichen auf der Konferenz von Messina erarbeitet worden waren. Gleichzeitig gründeten die Staaten auch die Europäische Atomgemeinschaft (EAG oder Euratom); EWG-Vertrag und Euratom-Vertrag werden daher zusammen als die Römischen Verträge bezeichnet. Zusammen mit der bereits 1951 gegründeten EGKS bestanden nun also drei Gemeinschaften, die zusammen auch als Europäische Gemeinschaften (EG) bezeichnet werden. Am 1. Juli 1967 wurden die Organe dieser drei Gemeinschaften durch den EG-Fusionsvertrag zusammengelegt. Am 11. Mai 1967 beantragte die britische Regierung (unter Harold Wilson (Labour), Premierminister von Oktober 1964 bis Juni 1970) den Beitritt zur damaligen EWG; am 27. November 1967 kündigte Charles de Gaulle sein bzw. Frankreichs Veto gegen den Beitritt Großbritanniens an und legte es in der Sitzung des EWG-Ministerrates am 19. Dezember 1967 auch ein.[1]

Zum 1. Januar 1973 traten Großbritannien, Irland und Dänemark der EG bei („EG-9“), zum 1. Januar 1981 Griechenland („EG-10“) und zum 1. Januar 1986 Spanien und Portugal („EG-12“); weiteres siehe hier.

Mit der Gründung der Europäischen Union (EU) durch den 1993 in Kraft getretenen Vertrag von Maastricht wurde die EWG in „Europäische Gemeinschaft“ (EG) umbenannt, aus dem EWG-Vertrag wurde der EG-Vertrag. Mit dieser Änderung sollte die qualitative Veränderung der EWG von einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft hin zu einer umfassenden politischen Organisation, die etwa auch umwelt- und sozialpolitische Fragen behandelte, zum Ausdruck gebracht werden. An der Existenz der drei Teilgemeinschaften (EGKS, EAG, EG) änderte diese Umbenennung allerdings nichts, da mit ihr keine formelle Vereinigung der drei Gemeinschaften verbunden war. Die Europäische Union selbst ist als Dachorganisation konstruiert, die neben den drei Gemeinschaften noch als weitere Politikbereiche die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres umfasst. Für diese gelten jedoch andere Entscheidungsverfahren als für die EG.

Im Zuge der Gründung der EU benannten sich auch einige Organe der EG um:

Die von den einzelnen Organen erlassenen Rechtsakte blieben allerdings weiterhin Rechtsakte der jeweiligen Gemeinschaft.

Da die Bedeutung der EGKS immer geringer wurde und die Euratom nur eine spezialisierte Aufgabe hat, bildete die Europäische Gemeinschaft das Herz der Europäischen Gemeinschaften. Die Abkürzung „EG“ konnte die drei Gemeinschaften als Ganzes oder die Europäische Gemeinschaft allein bezeichnen. Die drei Gemeinschaften wiederum bildeten die erste und wichtigste der drei Säulen der Europäischen Union. Ziel der EG war die Errichtung eines Binnenmarktes und – darauf aufbauend – einer europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Daneben hatte sie Zuständigkeiten in weiteren Politikbereichen wie Verkehr, Soziales, Umwelt, Forschung und Technologie, Gesundheit, Bildung, Kultur, Verbraucherschutz, Entwicklung. In den Vertragsreformen von Amsterdam 1997 und Nizza 2001 wurden zudem verschiedene Bereiche der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres in den EG-Vertrag aufgenommen, d. h. „vergemeinschaftet“.

Der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl lief nach 50 Jahren Laufzeit 2002 aus. Durch den Vertrag von Nizza von 2001 (2003 in Kraft getreten) wurden die EGKS-Bestimmungen in den EG-Vertrag eingegliedert. Die EGKS selbst wurde aufgelöst.

Mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon, am 1. Dezember 2009, wurde auch die Europäische Gemeinschaft schließlich aufgelöst. Ihre Rechtsnachfolgerin wurde die Europäische Union, die durch denselben Vertrag erstmals Rechtspersönlichkeit erhielt. Formal erfolgte diese Fusion von EG und EU dadurch, dass im EG-Vertrag durchgängig die Bezeichnung „Europäische Gemeinschaft“ durch „Europäische Union“ ersetzt wurde; der Vertrag selbst wurde in Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union umbenannt. Der Versuch, EG- und EU-Vertrag zu einem einheitlichen Vertragstext zusammenzulegen, war 2005 mit dem EU-Verfassungsvertrag gescheitert.

Zeittafel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unterz.
In Kraft
Vertrag
1948
1948
Brüsseler
Pakt
1951
1952
Paris
1954
1955
Pariser
Verträge
1957
1958
Rom
1965
1967
Fusions-
vertrag
1986
1987
Einheitliche
Europäische Akte
1992
1993
Maastricht
1997
1999
Amsterdam
2001
2003
Nizza
2007
2009
Lissabon
 
                   
Europäische Gemeinschaften Drei Säulen der Europäischen Union
Europäische Atomgemeinschaft (Euratom)
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) Vertrag 2002 ausgelaufen Europäische Union (EU)
    Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Europäische Gemeinschaft (EG)
      Justiz und Inneres (JI)
  Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS)
Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)
Westunion (WU) Westeuropäische Union (WEU)    
aufgelöst zum 1. Juli 2011
                     


Organe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Organe der EG waren gemäß Art. 7 Abs. 1 EG-Vertrag (vor Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon):

Diese Organe waren gleichzeitig für die gesamte Europäische Union (einheitlicher institutioneller Rahmen) tätig.

Der Rat und die Kommission wurden gemäß Art. 7 Abs. 2 EG-Vertrag vom Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie vom Ausschuss der Regionen unterstützt. Diese Institutionen hatten und haben im Gegensatz zu den Organen jedoch lediglich beratende Aufgaben.

Rechtsetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die EG besaß, basierend auf Art. 249 EG-Vertrag, eine eigene Kompetenz, sekundäres Gemeinschaftsrecht als Teil des Europarechts zu setzen. Dabei handelte es sich um Richtlinien der EG, Verordnungen der EG oder Entscheidungen der EG. In der Öffentlichkeit wurden diese schon seit 1993 oft nicht als Richtlinien, Verordnungen oder Entscheidungen der EG, sondern der EU bezeichnet, was formal unkorrekt war. Erst seit der Fusion von EG und EU durch den Vertrag von Lissabon 2009 erhielten sie auch formal diese Bezeichnung. Ältere Rechtsakte behalten in ihrem amtlichen Kürzel allerdings die Kennzeichnung als EG-Rechtsakte bei, so hat die Dublin-II-Verordnung von 2003 etwa das Kürzel Verordnung (EG) Nr. 343/2003.

Einordnung in die drei Säulen der Europäischen Union[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Europäische Union
Europäische Gemeinschaften (EGen)   Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)   Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres (ZJI, bis 1999)
Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS, ab 1999)
 

Europäische Gemeinschaft (EG):

Ab 1999 (Vertrag von Amsterdam), auch:

EURATOM:

  • Zusammenarbeit im Bereich Kernenergie

EGKS (bis 2002 eigene Organisation, danach wurden Aufgaben durch EG übernommen):

  • Gegenseitige Kontrolle von Kohle und Stahl
   

Außenpolitik:

Sicherheitspolitik:

   

Bis 1999 (Vertrag von Amsterdam), auch:

 
Erste Säule Zweite Säule Dritte Säule

Rechtsfähigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vor Inkrafttreten des Lissaboner Vertrages besaß die EG anders als die EU Rechtsfähigkeit und konnte völkerrechtlich verbindliche Verträge abschließen. Diesen Status sprach ihr der Europäische Gerichtshof 1971 und nochmals 1976 in der AETR-Doktrin aufgrund der Parallelität von internen und externen Rechtsetzungskompetenzen zu:

„Wenn die Gemeinschaft im Innenverhältnis für die Erreichung eines bestimmten Zieles zuständig ist, verfügt sie auch über die ausschließliche auswärtige Zuständigkeit für dieses Gebiet, sofern außenpolitisches Handeln zu diesem Zweck erforderlich ist.“[2]

Beispielsweise war die EG ein vollwertiges Mitglied der EBWE und hatte ein Stimmrecht entsprechend ihren Einlagen. An den Organisationen WTO, FAO und Eurocontrol war sie ebenfalls beteiligt. Jedoch musste sie vor den Sitzungen mit den EU-Mitgliedstaaten, die auch in den Organisationen vertreten sind, ihr Abstimmungsverhalten mitteilen. Wenn sie ihr Mandat wahrnahm, vertrat sie diese Staaten und gab statt ihrer ihre Stimme ab.

EG-Rechtsquellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Primäres Gemeinschaftsrecht
Sekundäres Gemeinschaftsrecht

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Portal: Europäische Union – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Europäische Union

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Hans-Dieter Lucas: Europa vom Atlantik bis zum Ural? - Europapolitik und Europadenken im Frankreich der Ära de Gaulle (1958-1969), Bouvier 1992, ISBN 978-3416024006, S. 277ff. Siehe auch eu-info.de: Zeittafel der Europäischen Integration
  2. EUR-Lex - 52002SC0381(02) - DE