6G: Science-Fiction oder Realität? Was bringt die Zukunft des Mobilfunks wirklich?
Holografische Kommunikation, Tast- und Fühleindrücke über das Display und unglaubliche Geschwindigkeiten: Wie viel Science Fiction steckt in 6G? Und wann kommt der neue Mobilfunkstandard zu uns?
Inhalt
Nach 5G ist vor 6G
Kaum haben wir uns an die Idee von 5G gewöhnt und sehen das kleine Symbol immer öfter auf unseren Smartphones aufleuchten, da geistert schon das nächste Kürzel durch die Tech-Welt: 6G. Man könnte meinen, die Industrie hat es eilig. Aber was steckt wirklich dahinter? Ist das nur Marketing-Gerede für etwas, das noch Lichtjahre entfernt ist, oder braut sich da die nächste große technische Revolution zusammen?
Während 5G gerade erst dabei ist, unsere Welt mit schnellem, verzögerungsfreiem Internet für Maschinen und Menschen zu vernetzen, arbeiten Forscher weltweit bereits am nächsten großen Wurf. Und eines sei vorweggenommen: Bei 6G geht es um viel, viel mehr als nur darum, den nächsten Netflix-Film noch schneller herunterzuladen. Es geht um die Verschmelzung der digitalen und der physischen Welt. Klingt nach Science-Fiction? Ist es auch – noch.
Was ist 6G überhaupt?
6G ist die geplante sechste Generation des Mobilfunkstandards. Während jede bisherige Generation einen klaren Fokus hatte (bei 3G waren es mobile Daten, bei 4G/LTE schnelles Video-Streaming, bei 5G die Vernetzung von Geräten in Echtzeit), ist die Vision von 6G weitaus ambitionierter.
Das Ziel von 6G ist es, eine nahtlose und intelligente Kommunikationsinfrastruktur zu schaffen, die unsere Sinne erweitert. Das Netz soll nicht nur Daten übertragen, sondern seine Umgebung auch wahrnehmen, fast wie ein riesiges, globales Nervensystem. Künstliche Intelligenz (KI) wird dabei nicht nur eine Anwendung sein, die das Netz nutzt, sondern ein integraler Bestandteil des Netzes selbst.
Der Quantensprung: Die Unterschiede zwischen LTE, 5G und 6G
Um zu verstehen, wie revolutionär 6G sein könnte, hilft ein Blick zurück. Jede Generation war etwa zehnmal besser als ihre Vorgängerin. Bei 6G soll der Sprung noch gewaltiger ausfallen.
Eigenschaft | LTE (4G) | 5G | 6G (Prognose) |
Fokus | Mobiles Breitband für alle | Echtzeit-Internet für Mensch & Maschine (IoT) | Verschmelzung von digitaler & physischer Welt |
Max. Geschwindigkeit (Labor) | ~1 Gbit/s | ~20 Gbit/s | Ziel: bis zu 1 Tbit/s (1.000 Gbit/s) |
Latenz (Verzögerung, Labor) | ~30-50 Millisekunden | ~1 Millisekunde | Ziel: ~0,1 Millisekunden (Mikrosekunden-Bereich) |
Frequenzen | Bis 6 GHz | Bis 100 GHz (Millimeterwellen) | Ziel: Terahertz-Bereich (sub-THz) |
Der entscheidende Unterschied liegt in den Details:
- Geschwindigkeit: 6G zielt auf Raten im Terabit-Bereich. Das ist so schnell, dass man die gesamte Netflix-Bibliothek in wenigen Sekunden herunterladen könnte.
- Latenz: Die Verzögerung wird so gering, dass sie für Menschen nicht mehr wahrnehmbar ist. Das ermöglicht Reaktionen in Echtzeit, die für sensible Anwendungen wie ferngesteuerte Chirurgie oder „fühlbares“ Internet nötig sind.
- Frequenzen: 6G wird in noch höhere Frequenzbereiche vordringen (Terahertz-Wellen). Das ermöglicht extreme Bandbreiten, stellt die Technik aber auch vor große Herausforderungen, da diese Wellen eine sehr kurze Reichweite haben und leicht von Hindernissen blockiert werden.
Was bringt 6G für uns Smartphone-Nutzer?
Okay, Terabit und Mikrosekunden klingen beeindruckend, aber was heißt das für uns Normalos im Alltag? Hier werden die Visionen wirklich spannend. Wichtig: Diese Beispiele sind erstmal nur Forschungsziele, sollen aber theoretisch mit 6G möglich sein.
1. Holografische Kommunikation
Statt eines 2D-Videoanrufs könntest du eine lebensechte, dreidimensionale Hologramm-Projektion deines Gesprächspartners in deinem Wohnzimmer haben. Man könnte sich virtuell die Hände schütteln oder gemeinsam ein physisches Objekt betrachten, das für beide als Hologramm sichtbar ist. Das erfordert eine gigantische Menge an Daten und eine Latenz nahe null – eine Paradedisziplin für 6G.
2. Das Internet der Sinne
Stell dir vor, du kaufst online Kleidung und kannst den Stoff über dein Smartphone fühlen. Oder ein Arzt führt eine Operation aus der Ferne durch und spürt den Widerstand des Gewebes, als wäre er vor Ort. Durch die extrem geringe Latenz von 6G könnten haptische Rückmeldungen (Tast- und Fühleindrücke) synchron über das Netz übertragen werden.
3. Digitale Zwillinge in Echtzeit
6G könnte es ermöglichen, von ganzen Städten, Fabriken oder sogar Menschen einen perfekten digitalen Zwilling in der Cloud zu erstellen, der sich in Echtzeit mit der Realität synchronisiert. Man könnte Verkehrssimulationen in einer exakten Kopie der Stadt durchführen oder die Auswirkungen einer medizinischen Behandlung an einem digitalen Klon eines Patienten testen, bevor sie am echten Menschen angewendet wird.
4. Das Netz als Sensor
Das ist vielleicht die größte Neuerung: Das 6G-Netz soll seine Umgebung „fühlen“ können. Die Funkwellen, die sowieso überall sind, können wie ein Radar genutzt werden, um Objekte zu erkennen, Gesten zu interpretieren oder die Luftfeuchtigkeit zu messen. Dein Handy könnte dich warnen, wenn du deinen Schlüssel auf dem Tisch hast liegen lassen, oder du könntest deine Smart-Home-Geräte mit einer einfachen Handbewegung in der Luft steuern, ohne dass eine Kamera dich filmen muss.
Der Zeitplan: Wann ist 6G verfügbar?
Jetzt kommt der Dämpfer für alle, die schon ihr Portemonnaie für das erste 6G-Smartphone zücken wollen. Die Entwicklung eines neuen Mobilfunkstandards ist ein Marathon, kein Sprint. Die Industrie folgt dabei grob einem 10-Jahres-Zyklus.
- Forschung & Entwicklung: ~2020 – 2026 (Hier sind wir gerade)
- Standardisierung: ~2026 – 2028 (Die Technik wird in einem globalen Standard festgeschrieben)
- Erste kommerzielle Netze: ca. 2030
- Breite Verfügbarkeit: Mitte der 2030er-Jahre
Wir werden also noch einige Jahre mit 5G und LTE bestens auskommen. Die ersten 6G-fähigen Geräte werden frühestens Ende dieses Jahrzehnts auf den Markt kommen, und bis wir eine flächendeckende Netzabdeckung haben, wird es noch länger dauern.
Fazit: Mehr als nur ein Upgrade, aber auch viel Marketing
6G ist nicht einfach nur die Fortsetzung von 5G mit höheren Zahlen. Es ist der Versuch, eine Brücke zwischen der menschlichen, biologischen Welt und der digitalen Welt zu schlagen. Die Visionen vom fühlbaren Internet und der holografischen Kommunikation sind faszinierend – aber sie stehen aktuell noch auf dem Papier.
Die Realität ist: Viele Anwendungen sind heute noch reine Forschung, und es ist unklar, ob sie jemals massentauglich werden. Terahertz-Frequenzen haben nur eine winzige Reichweite, für den Netzausbau müssten Millionen neuer Antennen installiert werden – eine gewaltige Kostenfrage. Auch der Energieverbrauch der geplanten Technik ist bislang ungelöst und könnte die schöne Zukunftsvision in Frage stellen.
Dazu kommt: Selbst 5G ist in Deutschland noch nicht flächendeckend verfügbar. Bevor wir also in der Science-Fiction-Welt von 6G ankommen, könnte uns erst einmal ein nüchterner Blick auf den Stand der Gegenwart nicht schaden.
Für uns bedeutet das: Entspannt zurücklehnen, die Vorzüge von 5G genießen – und abwarten, ob 6G in zehn Jahren tatsächlich Revolution oder eher übertriebener Hype ist, oder was meint ihr?
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