Unihertz Titan 2 im Hands-On: DARF es so ein Smartphone noch geben?
Hand aufs Herz: Als ich das Paket mit dem Unihertz Titan 2 aufgemacht habe, war mein erster Gedanke: „Cool, ein altes BlackBerry!“ Falsch gedacht. Das hier ist kein Relikt aus der Vergangenheit, sondern ein brandneues Smartphone, das gerade erst erfolgreich per Crowdfunding finanziert wurde. Es sieht aus wie aus dem Jahr 2011, bietet im Inneren aber einige Überraschungen. Darf es so ein Smartphone wie das Unihertz Titan 2 überhaupt noch geben?
- Unihertz Titan 2
Kickstarter und Indiegogo sind keine Online-Marktplätze, sondern Crowdfunding-Plattformen. Dort können Privatpersonen neue Produkte finanziell unterstützen. Ein Anspruch auf das fertige Produkt besteht jedoch nicht, was die Beteiligung zu einem Risiko macht.
Falls euch der Name nichts sagt: Unihertz ist kein Neuling. Die Firma ist bekannt für ihre… sagen wir, „speziellen“ Smartphones. Vor sechs Jahren gab es schon das erste Titan, und vielleicht kennt der ein oder andere das „Jelly“, eines der kleinsten Android-Smartphones. Unihertz bedient Nischen. Und der Titan 2 ist die Nische in der Nische.
Inhalt
Touchscreen trifft auf physische Tastatur
Das Titan 2 ist ein Brocken. Mit 10,8 mm ist es dick, gerade wenn man die Samsung Galaxy Edges der Welt bedenkt, und mit 235g definitiv auf der schwereren Seite. Dafür ist der Formfaktor ist absolut eigenständig. Unser Testgerät ist in einer schwarzen Lederimitatoptik gehalten, dazu kommen scharfe Kanten. Der kleine Quader ist allerdings nicht mit einem IP-Rating ausgestattet und ist somit offiziell nicht gegen Staub und Wasser geschützt.
Das Hauptdisplay ist mit 4,5 Zoll quadratisch und löst mit 1440 x 1440 Pixeln auf. Das ist schärfer als bei vielen Flaggschiffen und für die Größe ein verdammt gutes Panel. Einziger Wermutstropfen: Es läuft mit 60 Hz. Wer von einem 120-Hz-Display kommt, merkt den Unterschied. Die höhere Bildwiederholrate hat sich inzwischen selbst bei günstigeren Geräten etabliert, den Punkt lässt Unihertz leichtfertig liegen. Es gibt einige Einstellungsmöglichkeiten, über gewöhnliche Android-Einstellungen geht es aber nicht hinaus.
Jetzt kommt der Clou: Auf der Rückseite sitzt ein zweites, 2 Zoll großes Display. Das ist nicht komplett neu, kennen wir in Ansätzen von anderen Geräten, hat in der breiten Masse – außer vielleicht bei dem Xiaomi Mi 11 Ultra – aber selten Anklang gefunden. Man kann es für die Kamera-Vorschau nutzen, Benachrichtigungen checken oder die Musikwiedergabe steuern. Aber Unihertz wäre nicht Unihertz, wenn sie es dabei belassen hätten. Man kann dort auch ganze Apps auswählen und starten. Ja, richtig gelesen. Das sieht dann zwar furchtbar aus, weil natürlich nichts dafür angepasst ist, aber hey – es geht! Ein Feature, das man vermutlich genau einmal ausprobiert, um es den Freunden zu zeigen. Darauf YouTube zu schauen ergibt nämlich leider wenig Sinn.
Braucht man 2025 noch eine physische Tastatur?
Man kauft das Unihertz Titan 2 vermutlich wegen der physischen Tastatur. Und hier wird es für mich kompliziert. Der erste Dämpfer für deutsche Nutzer: Das Layout ist QWERTY. Okay, kann man sich meiner Meinung nach dran gewöhnen, auch wenn es sicher nicht optimal ist. Immerhin hat sie eine Hintergrundbeleuchtung. Aber mein eigentliches Problem ist die Eingabe selbst. Ich bin noch mit T9 aufgewachsen und habe damals auf Handytasten gehämmert wie ein Weltmeister. Später kamen dann die BlackBerrys, mit denen ich aber nie wirklich warm wurde. Und das Titan 2? Ich komme damit nicht zurecht.
Ich würde mich selbst zu den schnelleren Tippern zählen, aber hier fühlt sich alles anstrengend an. Die Tasten sind zu schwergängig, die Positionierung ist gewöhnungsbedürftig und dazu kommt eben das QWERTY-Layout. Klar, das ist alles eine Sache der Gewöhnung. Aber die Frage ist doch: Warum sollte ich? Ich kann ja schnell mit meiner Smartphone-Tastatur tippen. Die Prämisse des Unihertz ist meiner Meinung nach, dass das Tippen dadurch angenehmer wird. Wird es aber nicht. Zumindest für mich nicht.
Anfangs ist die Eingabe auch unintuitiv, weil man z. B. Symbole im Eingabefeld nicht direkt sieht und viele Tastenkürzel lernen muss (Alt + S für die Symbol-Übersicht, zum Beispiel). Wo das Ding aber glänzt, sind die Shortcuts. Es gibt zwei frei belegbare Funktionstasten (Sym und Fn), die man mehrfach belegen kann (kurzer Druck, langer Druck). Und auch auf der linken Gehäuseseite, die sich frei anpassen lassen. Damit habe ich theoretisch 12 Shortcuts. Das ist für Produktivitäts-Fans ein echtes Fest und hochgradig anpassbar. Theoretisch könnte man jeden Buchstaben doppelt belegen, gefunden habe ich die Option aber nicht. Die Tastatur soll übrigens auch als eine Art Touchpad zum Scrollen in Webseiten dienen. Soll. Ich habe die Einstellung gefunden, aber zum Laufen habe ich es bisher nicht bekommen. Vielleicht ein Bug, vielleicht mein Fehler.
Die große Überraschung
Vorne sitzt eine 32-MP-Linse, hinten eine mit 50 Megapixeln. Die Frontkamera liefert leider keine zufriedenstellenden Ergebnisse, aber Unihertz hat ja ein Rückseitendisplay verbaut. Man kann also auch Selfies mit der Hauptkamera schießen und bekommt einen ordentlichen Qualitätsunterschied.
Die echte Überraschung ist aber die zusätzliche 8-MP-Telekamera mit einem 3,4-fachen optischen Zoom. Die Brennweite ist cool und die Fotos, die dabei herauskommen, haben eine gute Schärfe und ordentliche Farben. Hätte ich von so einem Nischen-Handy ehrlich gesagt nicht erwartet.
Überraschend viel Power
Auf dem Titan 2 läuft ein relativ pures Android 15. Kaum Bloatware, darüber bin ich immer froh. Ein, zwei Hänger hatte ich, aber das Gerät ist ja auch noch nicht final auf dem Markt.
Angetrieben wird es von einem Mediatek Dimensity 7300, einem Octa-Core-Prozessor, der auch in dem Redmi Note 14 Pro oder dem POCO X7 (Ultra) steckt. Dazu gibt es sehr großzügige 12 GB LPDDR5 RAM und 512 GB UFS 3.1 Speicher. Hier wurde nicht gegeizt, im Alltag läuft alles flüssig.
Der Akku ist mit 5050 mAh ebenfalls ordentlich bemessen und bringt einen gut durch den Tag. Geladen wird mit 33 Watt – das ist okay, aber kein Geschwindigkeitsrekord.
Ansonsten ist alles an Bord, was man braucht: 5G, NFC, WiFi 6, Bluetooth 5.4, GPS und sogar ein Infrarotsender und ein FM-Radio. Ach ja, die Stereo-Lautsprecher. Sagen wir so: Sie sind da. Nutzt lieber Kopfhörer.
Fazit: Ein faszinierendes Stück Nostalgie
Ich freue mich, dass es solche Geräte noch gibt. Das Unihertz Titan 2 ist erfrischend anders in einer Welt voller identischer Glas-Sandwiches. Es ist spannend, es ist robust und es hat ein paar echt coole Ideen.
Am Ende des Tages ist es aber wohl vor allem ein Gerät für eine winzige Zielgruppe: Menschen, die eine physische Tastatur so sehr vermissen, dass sie bereit sind, die Lernkurve und die Kompromisse in Kauf zu nehmen. Für die Meisten dürfte es aber ein reiner Nostalgie-Trip bleiben. Ich verstehe den Reiz total und ich bitte darum, dass Hersteller sich weiter trauen so etwas zu bauen, aber im Alltag bleibe ich dann doch bei meiner Bildschirmtastatur.
Welche Retro-Handyfunktion sollte ein Hersteller mal zurück bringen? Ich fand die Cybershot-Klappe von meinem K800i ja praktisch!
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