Test

Artillery M1 Pro im Test: Dieser Bambu-Klon steht unter Strom – wortwörtlich!

Die Bambu Lab Klon-Show geht weiter: Neuester Kandidat im Bunde ist der Artillery M1 Pro, der nun wirklich fast genauso wie ein Bambu Lab X1C aussieht – nur eben spiegelverkehrt. Artillerys erster eingehauster CoreXY 3D-Drucker wildert im Preisbereich um die 300€ und verspricht, das Beste aus Bambu Lab, Qidi und Anycubic zu vereinen. Gelingt Artillerys neuem „Heilsbringer“ das Comeback der Marke?

Artillery M1 Pro Aufmacher 1

(Hinweis: Aufgrund der im Test festgestellten Mängel raten wir aktuell vom Kauf ab!)

Kurzfazit: Potenzial trifft auf (Hoch-)spannung

Es hätte so schön sein können: Der Artillery M1 Pro liefert für seine Preisklasse erstaunlich maßhaltige Drucke, verbraucht recht wenig Strom und verarbeitet PLA solide. Doch inkonsistentes Auto-Leveling, eine miserable Platzierung des Filamenthalters und vor allem ein erhebliches Sicherheitsproblem bei der Erdung des Heizbetts (gemessene Spannung am Heizbettrahmen!) machen ihn derzeit zum „No-Go“. Sicherheit geht vor Schnäppchenjagd.

Wer schreibt diesen Test?

ThommyIch bin Thommy und ich begeistere mich für Smart Home, Dashcams & Co. Meine Leidenschaft sind aber FDM 3D-Drucker, seitdem mir meine Frau (natürlich die beste) 2018 einen Anycubic Mega-S geschenkt hat.

  • sehr gute Maßhaltigkeit (Toleranz bis 0,15mm)
  • niedriger Stromverbrauch (Ø ca. 90W bei PLA)
  • sehr günstiger Einstiegspreis
  • vollständige Einhausung
  • ⚠️ Spannung am Rahmen/Heizbett messbar (20V AC)
  • inkonsistentes Auto-Leveling
  • Filamenthalter unpraktisch auf der Rückseite
  • laute Lüfter (bis zu 70dB)
  • Druckqualität abseits von PLA out of the box mäßig

Artillery M1 Pro Design

Technische Daten: CoreXY-Standardkost

Hersteller | ModellArtillery| M1 Pro
BauartCoreXY
ExtruderDirect Drive
Geschwindigkeitmax. 600 mm/s
Beschleunigungmax. 20.000 mm/s²
Flussrate40 mm³/s
Bauraum260 x 260 x 260 mm
DruckbettFlexible PEI-Federstahlplatte, beheizbar bis 100 °C
max. Düsentemperatur320 °C
Düsendurchmesser0,4 mm (optional 0,2/0,6/0,8 mm)
KonnektivitätWi-Fi (2,4 GHz), microSD, Artillery Slicer, Orca Slicer
Features
  • 600 mm/s bei 20.000 mm/s²
  • erscheint später: Multicolorsystem (CMC): 2 Einheiten = max. 8 Farben/Materialien
  • Auto-Leveling (vollautomatisch)
  • Kalibrierung & Vibrationskompensation
  • LiDAR-Sensor
  • KI-Kamera
  • Düsen-Schnellwechselsystem
  • aktive Bauraumbeheizung (bis 60°C)
  • Bauteilhilfskühler
  • LED-Beleuchtung
  • 4,3 Zoll Touchdisplay
  • duales Aktivkohle-Luftfiltersystem
  • Filamentsensor
  • Powerloss Recovery
  • WiFi
Abmessungen | Gewicht453 x 389 x 491 mm (ohne CMC) | 20 kg

Unboxing & Design: Solide, aber mit „Rücken-Yoga“

Der Artillery M1 Pro kommt solide verpackt bei uns an. Der erste Eindruck nach dem Auspacken: Die Verarbeitung ist in Ordnung, auch wenn die Spaltmaße hier und da verraten, dass wir uns nicht im Premium-Segment befinden.

Etwas kurios wird es direkt bei der Inbetriebnahme: Um die Transportsicherungen (Schaumstoff) unter dem Druckbett zu entfernen, muss man das Bett manuell nach oben bringen – und zwar händisch durch das Ziehen am Riemen unterhalb des Druckers. Ein seltsamer Start.

Nervig wird es aber beim Thema Filamentwechsel. Artillery hat sich hier leider das schlechteste Feature der Creality K1-Serie abgeschaut und den Spulenhalter hinten rechts an die Geräterückseite verfrachtet. Wer den Drucker nicht freistehend im Raum platziert, darf sich auf regelmäßige Verrenkungen freuen.

Einrichtung & Leveling: Licht & Schatten

Der Selbsttest inklusive Input-Shaping-Kalibrierung dauert rund 15 Minuten. Das Auto-Leveling geht zwar flott, aber uns fiel auf: Das Druckbett wird dabei standardmäßig nicht aufgeheizt. Das ist physikalisch suboptimal, da sich Materialien unter Wärme ausdehnen.

Und das rächt sich direkt im Test: Das Auto-Leveling agiert inkonsistent. Mal passt der First Layer perfekt, beim nächsten Druck ist die Düse zu nah dran oder zu weit weg. Unser dedizierter „First-Layer-Test“ mit PLA bestätigt den Verdacht: Besonders in den Ecken ist die Düse oft zu weit entfernt (Risse im Layer), während sie am linken Rand fast im Bett kratzt. Hier muss Artillery softwareseitig nachbessern.

Wo wir schon bei „Nachbessern“ sind, das gilt – einmal mehr – für die gruselige Übersetzung ins Deutsche auf dem Touchscreen. In Zeiten von KI & Co. sollte es nicht allzu schwer sein, eine Übersetzung einigermaßen adäquat hinzubekommen. Das Menü an sich ist dabei in sich gar nicht verkehrt aufgebaut, aber so ist das einfach nicht 2025.

Druckqualität im Test: Von „Okay“ bis „Naja“

Wir haben den M1 Pro durch einen Teil unseres Standard-Parcours gejagt. Grund dafür ist ein festgestelltes Sicherheitsproblem, auf das wir noch zu sprechen kommen. Hier sind jedenfalls die Ergebnisse im Detail:

PLA: Der solide Standard

Unser erstes Benchy (Bambu PLA Basic Orange) druckt der M1 Pro von seiner microSD-Karte in soliden 21 Minuten. Interessant: Er positioniert den Bug extrem nah am mächtigen Bauteil-Hilfskühler. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, auch wenn es an neuralgischen Stellen (Dachüberstand, Türbögen) leichte Filamentfäden gibt.

Ein mit dem Artillery-Slicer (einem weiteren unnötigen Orca-Fork) selbst geslictes Benchy dauerte mit absoluten Slicer-Standardeinstellungen 43 Minuten, war nicht besser, sondern zeigte leichte Unterextrusion (kleine Löcher in der Außenhaut).

Toleranztest: Die große Überraschung

Hier kann der M1 Pro richtig glänzen! Unser „Fidget-Toy“-Toleranztest ist bis zu einem Spaltmaß von 0,15 mm noch beweglich. Das ist ein guter Wert out of the box. Viele Konkurrenten scheitern schon bei 0,2 mm. Wer also passgenaue Teile konstruiert, hat hier Freude.

TPU: Nicht seine Stärke

Mit Bambu Lab TPU 95A HF (High Flow) drucken wir erneut mit TPU-Standardeinstellungen einen Sattelschoner. Trotz angepasster Geschwindigkeit (150 mm/s) war das Ergebnis eher ernüchternd. Starkes Stringing (Fädenziehen) und eine sehr unsaubere Z-Naht trüben das Bild. Er druckt es zwar ohne zu verstopfen, aber schön ist anders.

ABS & Die VFAs

Zum Schluss drucken wir noch einen Staubbehälter für die Absaugstation unseres Saugroboters. Dazu nutzen wir ABSx von Nobufil ebenfalls mit Standardeinstellungen im Slicer für Generic-ABS. Nach 7,5 Stunden Druckzeit zeigten sich die Grenzen der Mechanik. Neben Warping an den Ecken (trotz Einhausung) ist die Oberfläche unruhig (kleine Löcher, Layer-Cracks). Wir sehen zudem deutliche VFAs (Vertical Fine Artifacts).

Was sind VFAs? Das sind feine, vertikale Wellenmuster auf der Oberfläche des Drucks, die durch mechanische Schwingungen oder Resonanzen der Motoren und Riemen entstehen. Sie sind ein Zeichen dafür, dass die Bewegungssteuerung noch nicht perfekt auf die Hardware abgestimmt ist.

Hardware & Verbrauch: Laut aber sparsam?

Die Hitzeverteilung des Heizbetts ist „okay“, aber nicht perfekt. Bei eingestellten 60°C messen wir in der Mitte 60,8°C (Hotspot), während die hintere rechte Ecke um 3°C abfällt.

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Positiv überrascht hat uns der Stromverbrauch. Bei PLA-Drucken gönnt sich der M1 Pro durchschnittlich rund 122 Watt. Das ist ein guter Wert. Bei anspruchsvolleren Aufgaben wie ABS klettert der Wert auf durchschnittlich 146 Watt, was für einen eingehausten Drucker immer noch gut ist.

Arilltery M1 Pro Stromverbrauch

Weniger schön: Die Lautstärke. Mit 68 dB und Spitzen bis in die 70er ist der M1 Pro ein kleiner Brüllwürfel. Im Wohnzimmer hat dieser Drucker absolut nichts verloren.

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Das K.O.-Kriterium: Sicherheit & Elektrik

Bis hierhin hätten wir gesagt: „Okay, ein durchwachsener Einstiegs-CoreXY mit Kinderkrankheiten.“ Doch dann haben wir uns das Thema Erdung angesehen, das bereits im Netz heiß diskutiert wurde.

Artillery M1 Pro Innenraum beleuchtet

Hintergrund: Das Heizbett ist zwar geerdet, aber die Erdung hat scheinbar nur Kontakt zur Folie unter dem Bett, nicht zum Heizbett selbst. Sollte die Folie beschädigt sein (was bei vielen Exemplaren des Druckers wohl der Fall zu sein scheint), verbleibt Spannung am Heizbett. Artillery selber betont in einem etwas versteckten Statement, dass keine 220V anlägen. Es handele sich in Einzelfällen der ersten Produktcharge um „leichten Stromfluss“ am Heizbett, was normal sei.

Artillery M1 Pro Druckbett unten

Um sicherzugehen, haben wir ein Multimeter an die mit dem Bett verbundene Metall-Halterung der Z-Spindel und der Z-Spindel selbst gehalten. Das Ergebnis: Wir konnten eine Spannung zwischen 10 und 20 Volt messen – und zwar unabhängig davon, ob das Bett gerade heizt oder nicht. Wir haben andere Drucker in unserem Test-Fuhrpark ebenfalls kurz getestet und konnten dieses laut Artillery „normale Phänomen“ bei keinem anderen Drucker feststellen.

Ob hier unter ungünstigen Umständen noch höhere, lebensgefährliche Spannungen anliegen können, wollen wir gar nicht erst herausfinden. Fakt ist: Spannung am Gehäuse oder berührbaren Metallteilen ist ein absolutes No-Go. Hier hat die Qualitätskontrolle komplett versagt.

Artillery M1 Pro Spannung am Druckbett
Artillery M1 Pro: Steht mit 10 bis 20V AC auch an Stellen unter Spannung, wo dies nicht sein sollte.

Fazit: Finger weg (vorerst)!

Der Artillery M1 Pro ist wie ein Sportwagen, bei dem man schlicht vergessen hat, die Radmuttern festzuziehen (oder so ähnlich). Er sieht gut aus, hat mit seiner tollen Maßhaltigkeit und dem moderaten Stromverbrauch kleine Highlights und könnte für den Preis von 300€ ein echter Hit sein.

Artillery M1 Pro Aufmacher

Aber: Die inkonsistente Software (Leveling), die nervige Usability (Rollenhalter) und vor allem das inakzeptable Sicherheitsproblem bei der Erdung machen eine Kaufempfehlung unmöglich. Solange Artillery hier nicht nachweislich nachbessert (z.B. durch eine Revision V2), raten wir dringend vom Kauf ab. Sicherheit geht vor Preis-Leistung.

Alternative gesucht?
Wer einen günstigen, sicheren und einsteigerfreundlichen CoreXY-Drucker sucht, sollte lieber zum Elegoo Centauri Carbon oder (für ein wenig mehr Geld) zum Flashforge Adventurer 5M Pro oder zum Bambu Lab P1S greifen.

FAQ – Häufige Fragen zum Artillery M1 Pro

Ist der Artillery M1 Pro ein Bambu Lab Killer?
Nein. Er kopiert zwar das Design, kommt aber in Sachen Software, Zuverlässigkeit, Druckqualität und Sicherheit (aktuell) nicht an das Original heran.

Ist der Drucker wirklich gefährlich?
In unserem Test konnten wir Spannung an Metallteilen des Druckbetts messen. Das deutet auf eine mangelhafte Erdung hin. Wir stufen dies als Sicherheitsrisiko ein.

🛠 Kann man das Erdungsproblem selbst beheben?
Erfahrene Elektriker oder Bastler könnten theoretisch eine korrekte Erdung nachrüsten. Da dies aber Eingriffe in die Elektrik erfordert, raten wir Laien davon ab. Ein neues Gerät sollte „out of the box“ sicher sein.

🔇 Wie laut ist der M1 Pro?
Mit ca. 68-70 dB ist er deutlich hörbar und gehört zu den lauteren Vertretern seiner Zunft. Nichts für das Arbeitszimmer, während man telefoniert.

Quellen:

  • Artillery3D
  • China-Gadgets (Artikel zum Artillery M1 Pro)
  • eigene Messungen & Testprotokoll
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Thommy

Wenn ich nicht gerade mit Familie und Freunden unterwegs bin, findet man mich im Bastelkeller. Dort tüftele ich zwischen Multiplex Easystar-Klonen, Impeller-Jets, RC-Crawlern und insbesondere meinem geliebten Anycubic Mega S, dem möglichst bald noch weitere 3D-Drucker folgen sollen.

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Kommentare (5)

  • Profilbild von Miwu
    # 26.11.25 um 20:19

    Miwu

    Gähn….

  • Profilbild von Armin
    # 26.11.25 um 22:32

    Armin

    schon der Sidewinder war nicht geerdet…so ein Ding auch hier zu testen…verantwortungslos….das ist ein übler Copyshop mit second class engineers…anders kann man sich nicht erklären das diese sicherheitsrelevanten Themen immer nicht gemacht werden

  • Profilbild von Jodocus
    # 27.11.25 um 00:26

    Jodocus

    ui ui ui, da werden ein paar sehr Steile Thesen im Artikel aufgestellt oder zumindest nicht ausreichend untermauert.

    Die Spannungen wären im Schutzkleidspannungsbereich und somit erstmal für sich alleine nicht kritisch.
    Die Frage ist ob bei Kurzschluss überhaupt entsprechende Ströme fließen die zu Thermischen
    Risiken führen.

    Wenn man mit einem Multimeter nur etwas im Haushalt sucht wird man auch öfters stellen finden die 230V führen, dabei handelt es sich aber sehr oft um Phantomspannung die unkritisch ist.

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