Bye bye Big Tech! Teil 2: Die besten Browser-Alternativen aus Europa
Welchen Browser nutzt ihr? Wenn eure Antwort Chrome ist: Ihr seid nicht allein. In Deutschland nutzen über 60% der Nutzer den Browser von Google. Das ist einfach, hat aber einen Nachteil: Chrome sammelt eure Daten und kann Benutzerprofile für personalisierte Werbung erstellen. Aber es geht auch anders: Wir schauen uns datenschutzfreundliche Alternativen aus Europa an, die trotzdem eine gute Performance liefern!
Serie: Bye bye Big Tech!
Teil 1: Meine Mails gehören mir! Alternativen zu Gmail & Co.
Inhalt
Meine Motivation
Ich versuche Big Tech aus den USA in meinem Leben zu minimieren. Ich möchte weniger abhängig von riesigen Playern sein, die im Zweifel Entscheidungen treffen, mit denen ich nicht einverstanden bin. In den USA erleben wir aktuell im Zeitraffer, wie die Politik das Land in eine neue Richtung drängt. Auch große Firmen wie Google und Apple mischen mal mehr, mal weniger mit. Die Anbieter, die durch ihre Nutzerzahl nicht nur in den USA sondern weltweit einen enormen Einfluss ausüben.
Ganz klar: Auch der Datenschutz in China ist mehr als fraglich. Dort bin ich aber persönlich nicht vom Ökosystem abgängig. Aber auch hier lohnt der Blick zu den europäischen Alternativen.
Ich stelle mir folgende Fragen:
- Wie sicher sind meine Daten? Ich nutze aktuell die iCloud von Apple und sichere neben Fotos auch meine komplette digitale Ablage online. Kontoauszüge, Rechnungen, Dokumente. Wie sehr kann ich dem Anbieter vertrauen, diese Daten nicht auszulesen und ein konkretes Profil über mich zu erstellen?
- Was passiert, wenn der Hersteller aufgrund eines politischen Konfliktes beispielsweise dazu gezwungen wird, Daten einzufrieren, zu analysieren oder noch schlimmer: Zu löschen?
- Welche Alternativen aus Europa gibt es? (Tipp von KaogramaN aus den Kommentaren: https://european-alternatives.eu)
Ich will hier keine Weltuntergangsszenarien heraufbeschwören, aber letztendlich sind wir alle allein dafür verantwortlich, wie wir mit unseren Daten umgehen und was wir mit wem teilen wollen. Daher habe ich mich dazu entschieden, Schritt für Schritt aus den Ökosystemen der Big Player auszubrechen und mir Alternativen zu suchen. Und die gibt es! Aber: Hier muss man teilweise auf Komfort verzichten, gewinnt aber Datenschutz und Kontrolle.
Ohne Datensammelwut: Die besten Browseralternativen
Die Wahl des richtigen Browsers ist heute mehr als nur eine Frage von Geschwindigkeit oder Design. Wer Wert auf Datenschutz, Transparenz und Kontrolle über die eigenen Daten legt, sollte einen genauen Blick auf die Alternativen zu den marktbeherrschenden Anbietern werfen.
Denn: Viele der populärsten Browser sind tief in Datennetzwerke eingebunden. Google Chrome, der Platzhirsch, ist Teil eines Geschäftsmodells, das auf dem Sammeln und Auswerten von Nutzerverhalten basiert – vom Surfverlauf über die genutzten Geräte bis hin zu den eingegebenen Suchanfragen. Safari von Apple verspricht zwar mehr Privatsphäre, bleibt jedoch ein geschlossenes System. Was genau hinter den Kulissen geschieht, bleibt oft unklar.
Zum Glück gibt es Browser, die bewusst einen anderen Weg einschlagen – entwickelt von unabhängigen Teams, die Transparenz, Datenschutz und Nutzerkontrolle ins Zentrum stellen.
Browser | Sitz des Unternehmens / Entwickler | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Firefox | Deutschland (Mozilla Europe, Hauptsitz USA) | – Open Source – Umfangreiche Datenschutz-Einstellungen – Breite Erweiterungsbasis | – Standard-Einstellungen nicht maximal datenschutzfreundlich – Telemetrie muss deaktiviert werden |
Brave | UK (Niederlassung), ursprünglich USA | – Integrierter Tracking-Blocker – Optionale Werbeanzeigen mit Vergütung – Chromium-kompatibel | – Ursprung in den USA – Krypto-Funktionalität polarisiert |
Vivaldi | Norwegen | – Hohe Anpassbarkeit – Keine Datensammlung laut eigener Aussage – Gute EU-Datenschutzstandards | – Proprietäre Komponenten – Komplexere Oberfläche |
Tor Browser | USA / EU-Kollaboration (Tor Project) | – Maximale Anonymität durch Onion-Routing – Firefox-basiert – Sehr sicher | – Teilweise langsam – Nicht für reguläre Nutzung geeignet |
Mullvad Browser | Schweden (mit Tor Project entwickelt) | – Keine Telemetrie – Keine Accountbindung – Fokus auf Privatsphäre | – Keine automatische Updates – Kein Cloud-Sync |
LibreWolf | Community-basiert (EU-Entwickler beteiligt) | – Firefox ohne Telemetrie – Datenschutzfokussiert – Open Source | – Keine automatische Updates – Kein Cloud-Sync |
Ungoogled Chromium | Open Source Community | – Google-frei – Chromium ohne Telemetrie | – Aufwändige Installation – Keine Updates/Sync ohne manuelle Einrichtung |
SnowHaze | Schweiz (nur iOS) | – Datenschutz & VPN integriert – Strenge Schweizer Gesetze – Kein Tracking | – Nur für iOS – Teilweise kostenpflichtig |
Ecosia Browser | Deutschland | – Nachhaltig (Bäume pflanzen) – Datenschutzfreundlicher als Chrome | – Noch in Entwicklung – Geringerer Funktionsumfang |
EPIC Privacy Browser | USA | – Kein Tracking – Integrierter Proxy | – Nicht Open Source – Keine europäische Gesetzgebung |
Browser-Engine – kurz erklärt:
Die Engine ist die Technik im Browser, die Webseiten lädt und anzeigt.
Engines der wichtigsten Browser
Gecko (Firefox, Tor, Mullvad, LibreWolf): Fokus auf Datenschutz und Offenheit
Blink (Brave, Vivaldi, Ungoogled Chromium, Ecosia, Epic): Schnell, kompatibel, aber Google-näher
WebKit (SnowHaze, Safari): Energieeffizient, ideal für Apple, weniger verbreitet
Viele der genannten Browser basieren auf Blink, der von Google entwickelten Engine, die auch in Chrome verwendet wird. Das kann dazu führen, dass Google Änderungen am Code vornimmt, die zum Beispiel die Funktionsweise von Werbe- oder Trackerblockern beeinträchtigen.
Bei Gecko, der Engine von Firefox & Co., kann es dagegen gelegentlich zu Darstellungsproblemen kommen, da viele Webseiten primär für Blink optimiert werden. Außerdem stand Firefox zuletzt in der Kritik, da das Versprechen keinerlei Daten zu Sammeln aus den Nutzungsbedingungen entfernt wurde. Der Hersteller ruderte daraufhin zurück.
Ihr seht: Die perfekte Wahl gibt es nicht. Ich habe mich für Vivaldi entschieden. Das ist allerdings nur meine ganz persönliche Meinung, es besteht keine Kooperation mit dem Hersteller.
Meine Wahl: Vivaldi
Download und optionale Registrierung
Vivaldi wird in Norwegen entwickelt und ist zumindest teilweise Open-Source. Der Browser schreibt sich auf die Fahne besonders datenschutzfreundlich zu sein und ist für nahezu alle Plattformen verfügbar: Windows, macOS, iOS, Linux sowie Android. Die Installation ist unkompliziert – auf der offiziellen Website findest du jeweils die passende Version für dein Betriebssystem. Auf mobilen Geräten kannst du Vivaldi direkt über den Google Play Store oder als APK über F-Droid installieren.
Für Linux-Nutzer bietet Vivaldi auch .deb- und .rpm-Pakete sowie ein Repository für automatische Updates. Damit lässt sich der Browser sauber in bestehende Systeme integrieren.

Nach der Installation fragt Vivaldi, ob du ein optionales Konto anlegen möchtest. Das ist keine Voraussetzung, um den Browser zu nutzen – aber es bringt ein paar praktische Vorteile mit sich.
Mit einem Vivaldi-Konto kannst du:
deine Einstellungen, Lesezeichen, Passwörter und Erweiterungen verschlüsselt mit anderen Geräten synchronisieren: Zum Beispiel auf Desktop und Smartphone.
Zugriff auf Vivaldi Mail, Kalender und Feedreader erhalten
ein kostenloses E-Mail-Postfach ([email protected]) nutzen
Die Synchronisation erfolgt Ende-zu-Ende-verschlüsselt. Die Verschlüsselungsschlüssel verbleiben auf deinem Gerät – Vivaldi selbst hat keinen Zugriff auf deine Daten. Wer Wert auf Datenschutz und Geräteunabhängigkeit legt, sollte hier also trotzdem unbesorgt zugreifen können. Ein gewsisses Geschmäckle bleibt aber. Wer komplett lokal bleiben möchte, kann Vivaldi aber auch ohne Konto in vollem Umfang nutzen.
Anpassen und lossurfen
Beim ersten Start bietet Vivaldi den Import von Daten aus anderen Browsern an – etwa Lesezeichen, gespeicherte Passwörter, Chronik und sogar Suchmaschinen. Unterstützt werden unter anderem Chrome, Firefox, Opera, Edge oder Safari. Der Umstieg gelingt damit in wenigen Minuten.
Für Chrome geht ihr beispielsweise so vor:
Chrome öffnen
Oben rechts auf das Drei-Punkte-Menü (⋮) klicken
Lesezeichen > Lesezeichen-Manager auswählen
Im Lesezeichen-Manager: Wieder oben rechts auf Drei Punkte (⋮) klicken
Lesezeichen exportieren wählen
Speicherort wählen und mit „Speichern“ bestätigen
→ Die Datei wird als .html gespeichert und kann jetzt in andere Browser importiert werden.
Vivaldi bietet aber auch einen Direktimport der Lesezeichen aus Chrome an. Dafür einfach auf Datei > Aus Anwendungen oder Dateien importieren klicken.

Danach geht’s ans Design: Kaum ein anderer Browser lässt sich so flexibel anpassen wie Vivaldi. Du kannst Farben, Tab-Anordnung, Symbolgröße, Seitenleiste, Startseite und sogar Mausgesten individuell einstellen. Es gibt verschiedene Ansichten (klassisch, kompakt, adaptiv), einen Lesemodus für konzentriertes Lesen und sogar automatische Themenwechsel nach Tageszeit.
Wer’s mag, kann sich ein echtes Power-User-Setup mit Tastatur-Shortcuts, Webpanels und Befehlskette einrichten – muss aber nicht. Auch für Minimalisten gibt es schlichte Layouts.
Noch mehr gute Gründe
🧱 Erweiterungen aus dem Chrome Web Store
Da Vivaldi auf der Blink-Engine basiert, sind Chrome-Erweiterungen in der Regel kompatibel. Wer etwa Bitwarden, uBlock Origin oder Dark Reader nutzt, kann diese direkt übernehmen.
🧹 Tracker- & Werbeblocker
Vivaldi bringt einen integrierten Tracker- und Werbeblocker mit, der standardmäßig aktiviert ist. Er lässt sich individuell konfigurieren, inklusive eigener Blocklisten. Wer möchte, kann damit auf zusätzliche Add-ons verzichten. Das funktionierte bei mir sehr gut.

📱 Mobile Version
Die Android- und iOS-Version steht der Desktop-Variante kaum nach: Sie synchronisiert Tabs, blockiert Werbung und bringt die gleiche Design-Philosophie mit. Auch dort lässt sich vieles individuell anpassen – inklusive Startseite und Schnellzugriff.
🧠 Ressourcenverbrauch
Vivaldi bietet viele Features direkt eingebaut – das spart Add-ons, kann aber etwas mehr RAM benötigen als schlankere Alternativen wie Brave oder Firefox. Mindestens 2 GB RAM werden empfohlen, besser sind aber 4-8 GB. Wer viele Tabs und Funktionen nutzt, sollte das im Hinterkopf behalten. Auf modernen Systemen läuft Vivaldi dennoch flüssig. Ich nutze den Browser auf einem CMF Phone 2 Pro (Budget-Smartphone) ohne Probleme.
🛡 Herkunft & Philosophie
Vivaldi wurde vom ehemaligen Opera-Mitgründer Jon von Tetzchner ins Leben gerufen – aus Unzufriedenheit über die Kommerzialisierung klassischer Browser. Die Mission: „Ein Browser für Nutzer, nicht für Aktionäre.“ Das Unternehmen hat seinen Sitz in Norwegen und Island, speichert keine Telemetrie-Daten und verzichtet auf externe Analyse-Tools.
❌ Kritik an Vivaldi
Der Vivaldi-Quellcode ist nur teilweise öffentlich einsehbar. Die Benutzeroberfläche ist proprietär, gehört also dem Hersteller. Das führt zu Kritik von Seiten der Open-Source-Community, da nicht in allen Teilen überprüft werden kann, ob Vivaldi seine Versprechen wirklich einhält. Außerdem wird man für eine Synchronisation auf verschiedenen Geräten dazu gezwungen ein Nutzerkonto anzulegen. Aber wie schon gesagt: Die eierlegende Wollmichsau unter den Browsern gibt es einfach nicht.
Mein Wechsel zu Vivaldi: Top oder Flop?
Ich bin mit meinem Wechsel momentan sehr zufrieden. Der Import der Lesezeichen war leicht und ich habe mich dazu entschieden, für die Synchronisation ein Konto mit einem meiner E-Mail-Aliasse einzurichten. Ich hatte bisher noch keine Probleme mit Webseiten, die unzuverlässig laden. Werbung wird zuverlässig blockiert und beim Datenschutz vertraue ich Vivaldi jetzt einfach mal, dass der Browser seine Versprechen einhält. Zumindest gibt mir die Tatsache, dass der Browser aus Norwegen und somit Europa stammt, schon mal ein besseres Gefühl, als die Alternativen aus den USA. Auch wenn die teilweise komplett Open-Source sind.
Die Reise geht weiter
Ich möchte euch mit auf meine Reise nehmen. Ganz subjektiv, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber dafür mit meinen Erfahrungen. Dafür starten wir diese Artikel-Serie. Ich will rausfinden: Welche Alternativen gibt es zu Chrome und Gmail? In welcher europäischen Cloud lagere ich meine Fotos und Daten? Welche Passwort-Manager, Notizen-Apps und Messenger sind gute Alternativen und bieten Sicherheit? Wie fühlt es sich an, ein komplett entgoogeltes Smartphone zu nutzen?
In den nächsten Wochen erscheint regelmäßig ein Artikel aus dieser Reihe – und ihr seid eingeladen, mitzukommen. Welche Bereiche interessieren euch besonders? Welche Tools, Tipps oder Erfahrungen könnt ihr beitragen? Ich grabe mich gerade frisch in diesen Prozess ein und habe sicherlich nicht alles auf dem Schirm. Was habe ich noch übersehen? Lasst uns gemeinsam herausfinden, welche digitalen Wege abseits von Google & Co. wirklich funktionieren. Seid dabei – und macht mit bei der Suche nach mehr Freiheit für unsere Daten!
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